Tally Brown, New York

USA 1977/78
Produktion, Buch & Regie:
Rosa von Praunheim
Kamera: Lloyd Williams,
Michael Oblowitz,
Juliana Wang, Edvard Lieber,
Rosa von Praunheim
Schnitt: Rosa von Praunheim,
Mike Shephard
Musik: Tally Brown,
Holly Woodlawn

Darsteller: Tally Brown, Divine,
Holly Woodlawn, Taylor Mead,
Robert & Elizabeth Kashy,
Edward Caton, Andy Warhol
Laufzeit: 97 Min., Farbe
EA: 4.5.1979
TV: WDR III, HR III 1980
Auszeichnungen: Bundesfilmpreis 1979
Verleih: Basis-Film
Der Film dokumentiert das Leben des New Yorker Underground-Stars Tally Brown. Tally Brown singt »Heroes«, den David Bowie-Titel, und »Love in vain« (Rolling Stones). Auf ihren Wegen in Manhattan, in Las Vegas, in Miami erzählt sie von ihrer Karriere, von ihrem Entdecker Leonard Bernstein, von ihrer Mutter. Ihre Freunde, Stars des new yorker Underground, werden vorgestellt; Holly Woodlawn singt »Dr. Jazz«. Vor der Skyline von Manhattan erklärt Tally Brown ihre Liebe für New York. Die Kamera setzt die Worte optisch um und drückt sich in einer Reihe von Zooms ein Hochhaus nach dem anderen an die Brust.

In der abendlichen Dämmerstunde sorgt die große Reklametafel des Times Square für bunte anheimelnde Farben. In einem langen langsamen Schwenk taucht die Kamera in die Tiefe, vorbei an Pornokinos, Peepshows, Imbissständen, Passanten, Geschäftsleuten, Asozialen. In einer Nachtbar sieht man hinten, fern, klein und karg, einen Haufen schwarzer Kleider, hinter einem Mikrofon. Ein Klavier spielt. Tally Brown steht auf und singt mit ihrer Bluesstimme David Bowies »Heroes«.
Die Kamera, wiederum im Schneckentempo, zoomt auf die Sängerin zu. Man erkennt jetzt, wie aufgedunsen, fett und häßlich sie ist. Sie hat grauenhafte Zähne, die Lippen sind grell geschminkt, die Augen schwarz zugeschmiert. »We could be heroes for just one day«. Die Kamera ist jetzt ganz nah. Tally Brown singt die Schlußverse auf deutsch. »Werden wir Helden für einen Tag. Wir sind dann wir an diesem Tag«. Tally Brown glaubt daran. Sie ist die Heldin, und der Zuschauer hat sich faszinieren lassen, Held auch er. Und sie ist die Größte.

Der Film wurde 1979 mit dem Bundesfilmpreis ausgezeichnet. Die Kritiker der Kinoaufführungen von 1979 registrierten, wie gut es ihrem Publikum tut, »dieser fetten, häßlichen, kranken, aber ungeheuer starken Frau zuzuhören, die mit ihrer Arbeit Anteil an der Verzweiflung der anderen nimmt«, schrieb Doris Dörrie, und Rudolf Thome fand: »Rosa von Praunheim ist einer der aufregendsten deutschen Filmemacher«. In New York war der Film im Dezember 1979 im Museum of Modern Art zu sehen. Die Village Voice schrieb dazu: »In seiner Art ist »Tally Brown, New York« der beste Dokumentarfilm über New York seit Chantal Akermans News From Home«.

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